Eine Emotionsgeschichte der Gewalt im Ersten Weltkrieg. Ausschreitungen an der Heimatfront im Deutschen Reich, in Großbritannien und in Frankreich
Emotionen sind in diesem Projekt ein Schlüssel zur Analyse der Gewalt im Ersten Weltkrieg. Untersucht werden soll, inwieweit öffentlich gezeigte Emotionen an der Heimatfront es Gruppen erleichterten, gewaltsame Handlungen zu verüben. Der Blick richtet sich auf die Ausweitung von Gewalt in der Zivilbevölkerung. Im Deutschen Reich verfolgte man Autofahrer und nationale Minderheiten, in Großbritannien fürchtete man eingebürgerte Deutsche und die Betrachter von Zeppelinen, Franzosen jagten vermeintliche Agenten der deutschen Invasionsarmee. Hasstiraden, Verfolgung und Internierung trafen auch die Musiker der jeweiligen Feindstaaten. Deutlich zu machen sind die einzelnen Situationen, die Orte, die genauen Handlungen und die jeweiligen Täter und Opfer. Kaum erforscht ist die Tatsache, dass diese Gewalttaten mit Hilfe emotionaler Praktiken geschahen. Körperliche Angriffe von Zivilisten gegen Zivilisten, das Eindringen der Gewalt in den alltäglichen Erfahrungsraum der Heimat, die Morde an Fremden durch „harmlose“ Bürgerinnen und Bürger, darin eröffnen sich neuartige Aspekte zur Untersuchung der europäischen Gesellschaften im Ersten Weltkrieg.
Emotionen werden hier weniger als körperliche Zwänge, sondern vielmehr als Praktiken, als eine Form der Kommunikation innerhalb eines Kollektivs oder zwischen verschiedenen Gruppen begriffen. Sie begünstigten überraschende Entwicklungen, schufen neue Partner, neue Täter und neue Opfer in unerwarteten Räumen. Untersucht werden soll, ob und inwieweit Emotionen diverse Räume der Gewalt und deren Akteure verbanden. Aus einander fremden Menschen konnte in bestimmten Situationen eine Gewaltgemeinschaft entstehen.
Ein Ziel ist es die Transformation der Ordnungs- und Handlungsmuster durch emotionale Praktiken und deren Radikalisierung im Deutschen Reich, in Großbritannien und in Frankreich zu zeigen. Im Fokus steht die nicht-militärische Gewalt ziviler Akteure. Nicht betrachtet werden die Gewalttaten politischer oder paramilitärischer Verbände bzw. die Auswirkungen der Bürgerkriege. Die Handlungen des Staates (Polizeieinsätze, Gerichtsverhandlungen) werden nur dort untersucht, wo sie ein Mittel gegen diese Ausschreitungen sind. Aufgabe ist es, die Wechselwirkungen zwischen den Gewalttaten der Zivilisten, Berichten aus der Presse bzw. persönlichen Dokumenten und staatlichen Zwangsmaßnahmen herauszuarbeiten.
Anhand von fünf ausgewählten Fallbeispielen sollen emotional motivierter Handlungen in konkreten Situationen und an einzelnen Orten belegt werden. Die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen werden immer im Blick bleiben, notwendig ist es zugleich den nationalen mit dem lokalen Kontext in Beziehung zu setzten. In den Fallbeispielen geht es um die Verfolgung von Reisenden, die Jagd auf vermeintliche Spione und Immigranten, die Internierung ausländischer Musiker, um Übergriffe auf Juden und um die Wirkungen von Luftangriffen. Die Niederschrift des Buches ist fortgeschritten.
Vom Umgang mit den Verbrechen im Nationalsozialismus in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik nach 1945
Bereits der Begriff „Plan“ lässt ahnen, dass die gewaltsame Verwandlung Europas sorgfältig vorbereitet wurde, und zwar durch die enge Zusammenarbeit einflussreicher Akteure von der Reichsleitung bis zur SS – und gerade durch viele renommierte Wissenschaftler an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Den Auftrag zur Erarbeitung des „Generalplan Ost“ erhielt Prof Dr. Konrad Meyer (Agrarwissenschaftler und Leiter der Hauptabteilung „Dienststelle des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums“). Zahlreiche Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen entwarfen unter seiner Leitung bis zum Frühling 1942 den „Generalplan Ost“. Ziel war die Schaffung einer Agrargesellschaft in Polen, in weiten Teilen der Sowjetunion und im Baltikum, welche die Bedürfnisse deutscher Siedler erfüllen sollte. Sogenannte „rassisch unerwünschte“ Einwohner sollten als Zwangsarbeiter herangezogen, nicht weniger als 30 bis 40 Millionen deportiert oder getötet werden. Wissenschaftliche Visionen, rassistische Bevölkerungspolitik, wirtschaftliche Ausbeutung und Massenmord griffen ineinander. Die deutschen Experten bedrohten durch ihr größenwahnsinniges Konzept das Leben, den Besitz, die Freiheit und die Würde von Millionen polnischer und sowjetischer Männer, Frauen und Kinder.
Das Projekt untersucht den Anteil der Berliner Universität an der Entstehung des „Generalplan Ost“ auf der einen und dessen Bewertung durch Universität, Politik und Öffentlichkeit von 1945 bis 1990 auf der anderen Seite. Der Schwerpunkt liegt auf der Kooperation der hoch motivierten Wissenschaftler mit den gnadenlosen Tätern des Vernichtungskrieges. Wichtig ist der Blick auf die Arbeit der Forscher an der Berliner Universität und auf die mitwirkenden Kollegen an anderen Universitäten und Instituten. Skizziert werden auch die wenigen Prozesse gegen die Akteure in der DDR nach 1945. Schließlich gilt es den zögerlichen, ja meist verweigerten Umgang der Berliner Universität in der DDR mit denjenigen Kriegsverbrechern oder Kollaborateuren zu untersuchen, die hier weiterhin arbeiteten.
Kontrollierbare Gefühle? Die Kommunikation von Dirigentinnen und Dirigenten bei der Probenarbeit und den Aufführungen
Dieses Projekt lenkt den Blick auf die Vermittlung von Musik durch zeitgenössische Dirigentinnen und Dirigenten. Diese werden gebeten längere Interviews zu geben. Die Hypothese lautet, dass die Künstler ihre Gefühle einsetzen, um ihre Deutungsmacht zu festigen. Möglicherweise schaffen gerade deren eigene Emotionen Verbindungen zwischen den Kompositionen, den Musikern und dem Publikum. Es interessiert deren Rückgriff auf Emotionen, um etwa bei einer Probe den Musikern durch Bilder, Gesten und Geschichten die eigenen Ziele zu verdeutlichen.
Was sind überhaupt Emotionen aus der Perspektive einer Dirigentin oder eines Dirigenten und wo werden Sie aktiv? Zu klären ist, wie diese Musik in den Proben in eine emotionale Sprache übersetzen. Es interessieren Metaphern, Gesten, Witze, durch die zunächst die Musiker und dann viele im Publikum begeistert, erschreckt oder bewegt werden. Wichtig ist es herauszufinden, ob Dirigentinnen oder Dirigenten die Emotionen eher dem Werk zuschreiben, oder wie weit sie selbst die eigenen Gefühle mit einbringen und diese dann ins Stück hineinlegen. Spannend wäre es darüber zu reden, ob es bei der Probenarbeit oder bei der Aufführung mehrere verschiedene Gefühle gibt, die empfunden werden. Gibt es ein Gefühl, indem die Künstler sagen, bei Mozart anders zu empfinde als bei Bruckner? Wie nehmen Dirigentinnen oder Dirigenten die Stimmung des Publikums wahr? Wie bewerten sie die spätere Kritik, ja auch einen Musikskandal, in Folge gewisser Kompositionen, die sie dirigiert haben?
Eine der Ursachen für die Deutungsmacht der Dirigentinnen und Dirigenten könnte darin liegen, dass sie durch eigene Gefühlsregeln die Kommunikationsformen im Musikleben steuern und erweitern. So aufschlussreich es ist, durch eine geschichtswissenschaftliche Perspektive die Bedeutung der Interpretationen durch den Kontext zu erklären, so muss ebenso klar sein, dass diese Beziehungsgeschichte auch umgekehrt gilt und bestimmte musikalische Stile auch soziale und politische Wirkungen in der Gesellschaft entfalten.
Ziel ist es die Erträge dieses Projektes für eine breitere Öffentlichkeit auch außerhalb der Universität zugänglich zu machen (Publikationen, Symposium, Radio- und Internetbeiträge). Fünf ausführliche Interviews mit Nikolaus Harnoncourt, Christian Thielemann, Marek Janowski, Simone Young und Kristiina Poska wurden bereits durchgeführt. Gerade werden mit einem Kollegen Gespräche mit britischen Dirigentinnen und Dirigenten vorbereitet.